8. August 2008, Story hinter der Eröffnungsfeier
Ich komme nachmittags am Tian'anmen-Platz an bzw. lande vor dem Tor des Himmlischen Friedens, weil der Platz gesperrt ist. Ich verbringe die Zeit damit, Fotos von heranströmenden Chinesen zu schießen und die Stimmung zu erfassen.
Je näher die entscheidende Stunde des Abends rückt, um so mehr Menschen versammeln sich vor Maos Porträt, lassen sich mit ihren Kindern ablichten und sind dennoch zunehmend spürbar irritiert darüber, nicht auf den Platz gelassen zu werden.
Auch nach dem bescheidenen Feuerwerk um Punkt 8 Uhr (dass in der Fernsehübertragung mittels moderner Computertechnik zu einem bunten Spektakel aufgeblasen wird), ändert sich an der Vollsperrung nichts. Die Menge murrt hörbar. Wann könne man den endlich durch die Unterführung auf den Platz, wollen immer mehr Menschen wissen. Die Polizisten blicken stur geradeaus. Auf meine Anfrage erhalte ich von drei verschiedenen Ordnungshütern drei unterschiedliche Antworten. Die Situation ist kurios. China, am Abend der Verwirklichung seines großen hundertjährigen Traumes von der Ausrichtung Olympischer Spiele, macht den zentralen Platz der Hauptstadt dicht und bleibt sich damit doch nur treu. Die Regierung hat Angst vor spontanen und damit unkontrollierbaren Massenfeiern. Auf dem Platz selbst stehen weder eine große Leinwand, noch sind Reden oder Zeremonien geplant. Um 20.30 schließlich darf die Menge bzw. was davon noch übrig geblieben ist, auf den Platz.
Die spürbar geschrumpfte Besucherzahl verliert sich auf dem Platz. Die Uhr, die den soeben ohne jegliche Zeremonie auf dem Platz zu Ende gegangenen Olympia-Countdown anzeigt, steht reichlich verloren vor der Halle des Großen Volkes.
Nach einer Viertelstunden vernehme ich am nördlichen Ende des Platzes erste Sprechgesänge. Chinesische Jubelperser postieren sich fotogen auf dem Platz mit Maos Porträt im Hintergrund. Sind sie gekauft oder bricht sich hier einfach das Ergebnis jahrelanger TV-Indoktrination spontan ihre Bahn?
Gefühlte 10 Dutzend Agentur-Fotografen schießen, was die Speicherkarten hergeben. Die Menge, rund 50 Chinesen zwischen 15 und 35, brüllt sich in ihrem einstündigen Sprechchorkonzert in einen wahren Rausch. Der Platz ist ansonsten leer. Bis auf auf ein großes Polizeiaufgebot, dass die aufgestellten Blumenkränze bewacht. Agenturfotos am nächsten Tag suggerieren einen Tian'anmen-Platz randvoll mit strahlenden Chinesen.
Die meisten Platzbesucher sind zu diesem Zeitpunkt längst wieder zu Hause oder bevölkern, wie hier in einem reichlich vollen McDonald's im Stadtviertel Haidian, alle verfügbanren Etablissements mit Fernsehbildschirmen um das Ende der pompösen Eröffnungsfeier zu verfolgen.
(Übrigens, ein sehr sympathischer Zug der Burger-Kette in China, ihre Kunden keinem Mindestverzehr-Zwang unterwerfen zu wollen.)
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